Die Schweden legen viel Wert auf die Bildung ihrer Kinder und die Schulen haben einen hohen Stellenwert. Das zeigen immer wieder die guten PISA-Werte, die Schweden erreicht. Aus diesem Grund schauen nicht wenige Länder auf der Welt neidisch auf das Land im Norden. Doch wie genau funktioniert das schwedische Bildungssystem? Dieser Frage möchte ich in diesem Beitrag nachgehen.
Vor- und Grundschule
In Schweden gibt es ein ausgeprägtes Vorschulwesen. In der Vorschule (schwedisch: förskola) werden die Kinder bis zum Schuleintritt betreut. Anders als es der Name vermuten lässt, handelt es sich hierbei nicht um eine Schule im klassischen Sinne, hier steht vor allem die kindliche Entwicklung und die Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf/Studium zu verbessern. Die förskola ist freiwillig und lässt sich grob mit dem Kindergarten in Deutschland vergleichen. Zwar ist die förskola kostenpflichtig, allerdings müssen die Gemeinden ab dem August des Jahres in dem das Kind das dritte Lebensjahr vollendet hat, einen Vorschulplatz für mindestens 525 Stunden im Jahr gebührenfrei anbieten. Dies wird als „allmän förskola“ bezeichnet.
Mit dem sechsten bzw. siebten Lebensjahr beginnt die eigentliche Schullaufbahn und die Kinder kommen in die Grundschule (schwedisch: grundskola). Diese dauert neun Jahre bzw. bis zum 16. Lebensjahr. Bereits in den ersten Schuljahren wird hier mit dem Englischunterricht begonnen, eine zweite Fremdsprache kommt später hinzu. In der Regel können die Schülerinnen und Schüler hier zwischen Deutsch, Französisch oder Spanisch wählen. Eine weitere Besonderheit in der Grundschule: Erst aber der sechsten Klasse werden Noten vergeben. Diese reichen von A bis F, wobei lediglich „F“ als durchgefallen gilt. Vorher bekommen die Eltern regelmäßig Entwicklungsberichte, um sie auf dem aktuellen Stand zu halten. Sollte es Nachholbedarf geben, bekommen die Eltern Hilfsmittel an die Hand, um dem Kind helfen zu können. Außerdem genießen die Schülerinnen und Schüler ab der sechsten Klasse größere Freiheiten: Gemeinsam mit den Lehrkräften erarbeiten sie wöchentliche Lernpläne und -Ziele, für dessen Bearbeitung ein Einhaltung sie selbst zuständig sind. Somit sollen sie lernen eigenverantwortlich und selbstständig zu agieren.
Am Ende der 3., 6. und 9. Klasse gibt es nationale Prüfungen. Diese werden in allen Schulen am gleichen Tag in mehreren Fächern abgehalten. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die Schulbildung national eine vergleichsweise Qualität aufweist. Außerdem wird auf diese Weise festgestellt, ob es Defizite gibt, bei denen die Lehrkräfte gegensteuern können.
Für die Eltern fallen in der Grundschulzeit keinerlei Kosten an. Der Schulplatz ist kostenfrei, ebenso das Mittagessen in der Schule, die Lernmittel sowie der Transport zu Schule und wieder nach Hause. Die Lehrerinnen und Lehrer versuchen so gut wie möglich auf die Bedürfnisse ihrer Schülerinnen und Schüler einzugehen. Ein Kind durchfallen zu lassen wird versucht zu vermeiden.
Freiwillig: Das Gymnasium
Nach der Grundschule ist in Schweden noch nicht Schluss. Zwar endet nach der Grundschule die Schulpflicht, doch kann man weiterhin die Schule besuchen, wenn man es will. So folgt nach der Grundschulzeit die freiwillige, dreijährige Gymnasialzeit. Aktuell gehen rund 90% aller Grundschulabgänger weiter auf das Gymnasium (Quelle: inschweden.se). Auch der Besuch des Gymnasiums ist kostenfrei.
Das Gymnasium im schwedischen Bildungssystem ist nicht mit dem in Deutschland zu vergleichen. In Schweden findet im Gymnasium bereits ein Teil der Berufsausbildung statt: Die Berufs- und Fachschulen sind in das Gymnasium integriert. Die Schülerinnen und Schüler können zwischen 17 Ausbildungsprogrammen wählen, von denen 14 berufsbildend sind, zwei studienvorbereitend und ein Programm ist sowohl berufsbildend als auch studienvorbereitend. Etwa die Hälfte der Abgänger geht nach dem Gymnasium auf eine Universität.
Obwohl es im Gymnasium kein „sitzenbleiben“ gibt kann es vorkommen, dass jemand sein Abitur nicht besteht oder die notwendigen Kurse nicht belegen konnte. In diesem Falle können (junge) Erwachsene das Abitur nachholen.
Das schwedische Bildungssystem berücksichtigt auch Erwachsene
Das schwedische Bildungssystem berücksichtigt auch die (weiter)-Bildungsmöglichkeiten für Erwachsene. Dabei werden von jeder Kommune sogenannte komvux-Kurse (kommunal vuxenutbildning, also kommunale Erwachsenenbildung) angeboten. Im Gegensatz zu den „normalen“ Schulen wird hier keine komplette Schullaufbahn durchgegangen und somit der komplette Abschluss nachgeholt, sondern einzelne Fächer belegt. So muss nur der Kurs nachgeholt werden, den man nicht bestanden oder belegt hat.
Auch bei den komvux-Kursen gilt: Die Teilnahme ist kostenlos. Allerdings wird ein regelmäßiges Erscheinen vorausgesetzt und die Unterrsichtsmaterialien müssen selbst bezahlt werden. Verwendet wird auch hier die Notenskala A-F. A ist die höchste Note und E ist die niedrigste. Die Note F besteht nicht. Die Lehrkraft legt Noten für jeden Kurs fest, der abgeschlossen wurde.
Das schwedische Bildungssystem erlebt Kritik
Auch wenn ein Großteil der Welt Schweden um sein Bildungssystem beneidet, wächst die Kritik in Schweden selbst. Die Hauptargumentation: Durch den fehlenden Leistungsdruck verlieren gute Schüler schnell das Interesse und werden nicht genug gefordert und gefördert. Als Ergebnis entstehen in Schweden immer mehr Privatschulen und die Anzahl der Privatschüler steigt. So sind etwa 30 Prozent der Vor-, 20 Prozent der Grundschulen sowie 36 Prozent der Gymnasien in freier Trägerschaft. Insgesamt gibt es rund 4100 Privatschulen. Zum Vergleich: In Deutschland sind es „lediglich“ 14 Prozent (Quelle: Handelsblatt).
Ein weiterer Kritikpunkt ist oftmals die späte Benotung und der Nachteil, den die Schülerinnen und Schüler im internationalen Vergleich haben. Einige befürchten, dass die Schulabsolventen es später im Ausland schwieriger haben, da sie den Leistungsdruck und die Bewertungen nicht wie andere Absolventen bereits von klein auf kennen.