Deutsche die an Schweden denken, haben oftmals ein ganz bestimmtes Bild vor Augen: Rot/weiße Holzhäuser, tiefe und klare Seen, riesige Wälder, Elche, glückliche Menschen und Blaubeeren die nur darauf warten, gepflückt zu werden. Diese tiefe Sehnsucht, das Verlangen und dieses teils stark verklärte Bild von Schweden hat übrigens einen Namen: Das Bullerbü-Syndrom.
Das Bild, welches viele Deutsche von Schweden im Kopf haben, kommt nicht von ungefähr. Statistisch gesehen kennt fast jeder Erwachsene in Deutschland die Geschichten um Michel aus Lönneberga (der im Original übrigens Emil heißt), Pipi Langstrumpf oder Karlsson vom Dach. Diese Bekanntheit ist nicht unbegründet: Von 170 Millionen verkauften Büchern weltweit wurden über 20 Millionen alleine in Deutschland verkauft. Hinzu kommen rund 200 Schulen in Deutschland, die den Namen „Astrid Lindgren“ tragen. Auch die Verfilmungen der Inga Lindström Romane, die übrigens von der deutschen Autorin Christiane Sadlo geschrieben werden, erreichen regelmäßig ein Millionenpublikum. In diesem Geschichten wird ein Schweden gezeigt, in welchem es keine ernsthaften Probleme gibt, die Menschen nett und freundlich zueinander sind, die Natur eine wichtige Rolle spielt und es stets ein Happy-End gibt.
Der Begriff „Bullerbü-Syndrom“ stammt übrigens von Berthold Franke vom Goethe-Institut in Stockholm. Dabei geht der Begriff auf die Kinderbuchreihe „Wir Kinder aus Bullerbü“ von Astrid Lindgren zurück. Dieses fiktive Dorf, welches im Original „Bullerbyn“ (Lämmerdorf) heißt, besteht aus drei typischen Höfen auf dem Land, die direkt nebeneinander stehen. Zusammen mit dem Katthult-Hof von dem Michel-Filmen haben die Geschichten maßgeblich zur Idealisierung beigetragen.
Franke veröffentlichte 2007 mehrere Artikel, in der er die Sicht der Deutschen auf Schweden schilderte. Diese wurden unter anderem im Svenska Dagbladet veröffentlicht. Laut Franke ist das Syndrom jedoch weit mehr als die Sehnsucht nach Schweden. Es ist auch die Sehnsucht nach einer verloren geglaubten Kindheit, nach Harmonie, Verbundenheit zur Natur, Gelassenheit und Geborgenheit. Schweden muss als Land dafür herhalten, weil die in Deutschland beliebten Geschichten von Astrid Lindgren, Inga Lindström, Selma Lagerlöf, Elsa Beskow und Sven Nordqvist genau dies vermitteln. Viele Deutsche würden sich demnach ein Deutschland so wünschen, wie es Schweden (scheinbar) ist.
im Februar 2008 wurde der Begriff „Bullerbü-Syndrom“ vom schwedischen Sprachrat zum „Neuen Wort des Monats“ gekürt. Das Zeigt: Selbst in Schweden stößt diese Erkenntnis auf Interesse.
Natürlich ist Schweden weit mehr als ein riesiges Bullerbü im Norden Europas. Das Land steht vor großen Herausforderungen und nicht wenige Schweden machen sich ernsthafte Sorgen um die Zukunft des Landes. Einige Beispiele sind hier die organisierte Kriminalität in den Großstädten, die radikale Abholzung des Waldes, die steigende Verschmutzung der Ostsee und auch der Klimawandel. Aber das passt eben nicht ins Bild.